Zug der Züge – nobel reisen,
und flussaufwärts im Salon-
Wagen formidabel speisen,
Rheinanrainer im Waggon.
Draußen liegen in den Wiesen
Kuhgeschwader, Landschaft quillt
hemmungslos in Kohlgemüsen
als ein grünes Genrebild.
Dörfer dampfen in den Senken,
hier ein Feldkreuz, dort ein Steg.
Telegrafenmasten lenken
Drähtebündel längs und schräg.
An den Leinen Hosen knattern,
Kissen protzen, aufgebauscht –
achtzig Achsen aber rattern,
Wühlerwind am Fenster rauscht.
Bäume scheinen abzubrennen
Blütenfeuer weiß und rot.
Felder wandern, Feldchen rennen,
Hasen fliehn in Todesnot.
Uns doch leiten Weichen weiter
zu den Metropolen hin,
wächst herauf ein Glockenreiter,
Krähenschwärme drüber ziehn.
Jetzt gesellen sich uns Mauern,
Ziegelmuster rot und klein,
Augenblicke nur zu dauern,
rückgelassene zu sein.
Tausende von Fenstern stürmen,
namenlose, auf uns ein.
Hunderte von Dächern türmen
über uns Gesimsestein.
Und ein Rauschen wird, ein Ziehen
stark und stärker, und wir sehn
all die Fenster rückwärts fliehen,
laufen, gleiten, schweben, stehn.
Meer von Köpfen, Kleidern, Hüten,
Blumensträußen, Eis, Gepäck,
Zeitungen und Plastiktüten –
Arme heftig winkend – weg.
Wieder weiter! Und die Gleise
schmiegen sich dem Strombett an,
Rebenhänge dämmern leise,
Möven auf dem Lastenkahn.
Landschaft modelt sich gefällig,
Hügel drehn sich her und fort,
Wiesen steigen, fallen wellig,
dort wird hier und hier wird dort.
Burgen stolze Flaggen recken,
Wolken gravitätisch ziehn,
Schatten jagen Sonnenflecken,
und im Strom des Rheingolds Glühn.
Und dann öffnet sich die Weite
unvermutet, hell und neu,
Wege leitend an der Seite,
hei, dem Gleis schon nicht mehr treu.
Aufgereiht wie Perlen, locker
Rollen Blechkolonnen mit,
rot und weiß und blau und ocker –
halten ja schon nicht mehr Schritt.
Horch! Auf einmal rast ein heller
Ton heran, halb Pfiff, halb Schrei,
fortzufliehen wie ein schneller
Gegenzug – vorbei, vorbei.
Und die Landschaft, mild und südlich
schwenkt uns ins Abteil ihr Obst,
macht uns willig, schläfrig, friedlich –
Saug’s doch ein, was du so lobst!
Durch die Ortenau bis Basel
geht die Fahrt und endet wo?
Wohin Nietzsche vorm Gefasel
deutscher Professoren floh.
Die Zeilen, die Nietzsche bei seiner Antrittsrede an der Universität Basel an die Stadt richtete (1869), sprechen Bände:
In Basel steh ich unverzagt
Doch einsam da – Gott sei’s geklagt.
Und schrei ich laut: Homer! Homer!
So macht das Jedermann Beschwer.
Zur Kirche geht man und nach Haus
Und lacht den lauten Schreier aus.
Jetzt kümmr‘ ich mich nicht mehr darum:
Das allerschönste Publikum
Hört mein homerisches Geschrei
Und ist geduldig still dabei.
Zum Lohn für diesen Ueberschwank
Von Güte hier gedruckten Dank.
Mit 24 Jahren wurde Friedrich Nietzscheaus Deutschland an die Universität Basel berufen, wo er schließlich zehn Jahrelang unterrichtete. Gekommen war er der Philosophie wegen, den Lehrstuhl hatihm die Universität Basel aber nie gegeben. Stattdessen unterrichtete erKlassische Philologie an der Uni und lehrte am heutigen Gymnasium amMünsterplatz. Beim «Basler Daig» war er gerne gesehen, bei den Studenten undSchülern war er beliebt, trotz eher trockener Vorlesungen.