Weimar heute: was zu verwerten ist
(in memoriam 28. August 1749)
Der Markt
ist unerbittlich: Am Markt
stehen die Touristen-Droschken
gereiht,
komfortabel und sicher
(vier Scheibenbremsen!),
der Kutscher selbst
anekdotenprall
im historischen Outfit
mit sauberen Pferden, deren Äpfel
umweltfreundlich
in lederne Auffangbehälter
zwischen die Deichseln fallen.
Gingko-Grüße in alle Welt!
Man feiert Kultur,
Kultur macht feiern:
„Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein!“ (Slogan nach Goethe)
Gegenüber Schillers Wohnhaus
eine Gelateria (gerühmt), ein Türke (Pide und Sac nicht schlecht)
Filialen von Ketten wie überall
im wiedervereinigten Blühe-Deutschland:
vor Goethe am Frauenplan
mehr fast-food und Take-aways, aber auch
das Unverzichtbare: Rotkohl, Thüringer, Klöße.
Zwischen den Domizilen
der Dioskuren
Hypovereinsbank und Müller-Markt („Hier kauf ich ein…“: s.o.)
Doch überall, allüberall
Kultur, Kultur!
Man feiert Kultur!
Kultur macht feiern!
Die Sprüche von heute
auf den Gehwegen:
„List. Lust. Lost“;
„Mitunter ist ein Schnürsenkel länger als der Orgasmus beispielsweise!”
kontrastieren merkwürdig mit den Sprüchen von gestern:
„Gegen das Schweigen und
das Getöse
erfinde ich
das Wort.“ (Octavio Paz)
Der Kapitalismus - der mit dem unerbittlichen Markt – hat gesiegt, vorläufig zumindest. Daran ändert auch der Wahlkampf nichts, wo unerbittlich vom bald wieder wachsenden Markt gesprochen wird mit Getöse (- Schweigen - ?) Getöse, Getöse und Ginkgo-Grüßen in alle Welt.